Kann das weg?!

08:31 Uhr: Mit einer leeren Klapp-Box trete ich an, um mein Bücherregal auszumisten. Hm, aber wo anfangen?
08:38 Uhr: Wasser kocht, ich hänge einen Teebeutel in die Tasse und befrage das heilige Internet nach Aufräum-Weisheiten: Was Mensch länger als ein Jahr nicht genutzt hat, braucht er nicht.
08:38:15 Uhr: Fratzenbuch! Mein letztes Posting ist länger als ein Jahr her. Mein schlechtes Gewissen dahingehend, meldet sich jedoch stetig und mein Ärger, dass ich es überhaupt habe, mindestens genauso oft. Oh jaa, ich könnte es einfach ohne mich weiter Daten sammeln lassen! Nie wieder Situationen auf ihren Bild- und Unterhaltungswert reduzieren! Ich werde mich abmelden.
08:49 Uhr: Während ich auf die Mail zur Neuvergabe meines Passwortes warte, wärme ich mir die Hände an meiner Tasse Tee, scrolle meine Timeline nach unten und werde wehmütig. Das waren tatsächlich Stationen der letzten Jahre …
08:52 Uhr: Ich erinnere mich an Aufräum-Tipp Nr. soundso: Wenn Mensch sich von Dingen schlecht trennen kann, darf er sich ein ausgewähltes Teil zur Erinnerung behalten. Ich beginne abzuwägen, was mich in meinem FB-Verlauf am meisten berührt.
08:56:20 Uhr: Das Bild hier! Reine Daunenfedern. Daraus sind die Flügel für Frau Vogel entstanden, die mein Fräulein panTo.c bei Festival-Auftritten ihrer Picknick-Performance zum Beispiel beim „Nachtdigital“ oder dem „Wolkenkuckucksheim“ begleitet hat. Material. Leicht. Zart. Und nicht mehr wegzubekommen, wenn sie einmal im Raum herumfliegen!
08:59 Uhr: Ich habe das Originalbild der Federn in meinen PC-Ordnern gefunden, mich mit einem neuen Passwort eingeloggt und will nach „Konto löschen“ suchen, da sehe ich, dass ich vor drei Wochen eine Anfrage bezüglich eines Theaterprojektes erhalten habe. Schei…, denke ich und frage, ob es noch relevant ist, und worum es genau geht.
9:05 Uhr: Da ich ja nun noch die eventuelle Antwort abwarten muss, kann ich mich heute nicht von Fratzenbuch abmelden und stehe deshalb wieder vor meinem Regal. Ich ziehe nacheinander einzelne Bücher heraus und befrage mich, ob ich sie innerhalb des letzten Jahres in der Hand hatte.
09:17 Uhr: Buchtitel: Marketing für Freiberufler. Kapitel: Social Media. Zwischen den Seiten stecken zwei Fotos. Und da spüre ich ein leichtes Pochen in mir, dass sich plötzlich zu einer Anspannung auswächst, die meinen ganzen Körper durchfährt. In meinem Kopf hämmert schrill das dringende Bedürfnis mich JETZT und EIN FÜR ALLE MAL zu entscheiden: Digitalisiere ich beide, nein, sämtliche meiner Fotos und schiebe sie sauber in einen PC-Ordner??? Oder drucke ich die Daunenfedern, nein, sämtliche Bilder auf meinem PC aus und packe sie mit allen Fotos in einen Karton???
09:22 Uhr: Ich stehe vor meinem Requisiten- und Materialschrank. Der Inhalt mehrerer Fächer ist um mich herum verteilt. Ich ziehe sie hervor, die Kiste, klappe sie auf und während sich meine Augen schließen, gleitet meine Hand tief in die weichen weißen Federn…